Kein Grund zur Sorge …

Donnerstag, 27. Oktober, 2016

… alles ist gut.
Ich hab nur mal wieder ein Buch geschrieben.

Jarid 2 hatte mich ziemlich gequält. Eigentlich wollte ich den sowieso nicht schreiben. Jarid und Tamas sind ein glückliches Paar, fertig.
Oder?
Nun hatte das Konzept der Wildzauberei als solches mich aber von Anfang an heftig begeistert und da spukte der Wunsch herum, das noch einmal richtig auszuloten. Jahrelang. Bis Jarid mich aus dem Hinterhalt ansprang und verkündete, dass er eine komplette neue Story für mich im Gepäck hat. Schick, oder? *strahl*
Nein, ich fand das gar nicht schick, denn ich wollte eigentlich seit August mit dem 6. Teil von Sammy und Dylan fertig sein. Aber auf mich hört ja sowieso keiner.
*seufz*
Also hab ich Jarids neue Geschichte geschrieben. Die lief an für sich auch recht flockig, nur dass es mal wieder ein Skript war, bei dem jeder einzelne Buchstabe erst handschriftlich in ein Notizbuch vorgemalt werden musste, bevor er auf die Festplatte durfte. Mit dem Kuli in der Hand: Es läuft, es fließt, es stürmt voran. Am Laptop sitzend: Schallendes Schweigen im Walde, dass es in den Ohren weh tut.
Ich hab kein grundsätzliches Problem damit, handschriftliche Notizen abzutippen, beinahe jedes Skript hat bei mir eine Phase, wo es zwischendurch bloß auf diese Weise weitergeht. Diejenigen, die ausschließlich auf diese Weise funktionieren, sind aber doch selten. Hält auf und nervt, nervt, nervt.
Letzten Sonntag hatte ich das Gefühl, zum Endspurt blasen zu können. Heißt: Ich bleibe wach und schreibe und gehe erst ins Bett, wenn ich das Ende erreicht habe. Ich hatte die komplette Endszenerie vor Augen und so groß erschien die mir jetzt gar nicht. Sonntag also bis halb fünf morgens gepinnt und festgestellt: Ich bin dem Ende kein bisschen nähergerutscht. Hmpf.
Also Montag dann, ja?
Montag lief gar nichts. Außer Panik, weil sämtliche Handlungsbilder in meinem Schädel pulsierten und da nicht rauskommen wollten. Zwar den ganzen Tag und die ganze Nacht rumgeschrieben, doch nicht wirklich was geschafft.
Also Dienstag dann, ja?
Dienstag ging es ganz gut voran. Unterbrochen von diversen Lästigkeiten wie Kind zur Ergotherapie fahren und Großeinkauf. Geschrieben und geschrieben und geschrieben und GESCHRIEBEN! – und nicht fertig geworden.
Also Mittwoch dann, ja?
Nachdem die Nachtschichten lang und immer länger wurden, Mittwoch bis 11.00 Uhr morgens geschlafen. Auf die Couch getorkelt und geschrieben, geschrieben, geschrieben. Mit dem Gefühl, eigentlich jede Minute fertig zu werden, weil es wirklich gut lief. Entspannt 1 1/2 Stunden mit dem Zweitkind vertrödelt und gequatscht und ja, ich war überzeugt: Das bisschen Buch, das schaff ich weg. Dieses Gefühl, das man hat, wenn man auf einem mittelhohen Berg steht und durch die Gegend schaut. Runter ins Tal? Hö, in einer halben Stunde zu schaffen. Ist doch nix, alles easy!
Das klappt nur, wenn man Tom Bombadil heißt und eigentlich kann ich solche Dinge sonst sehr viel besser einschätzen. Ich meine, das war jetzt mein 49. Skript unter Sandra Gernt. Inklusive aller offenen Pseudonyme, exklusive Kurzgeschichten bei Anthologien. Dazu kommen einige extreme Schwergewichte unter Echtnamen. Ich hab Erfahrung, verdammich, und wenn ich sage: Yoah, das sollte heute zu schaffen sein! – dann stimmt das normalerweise auch.
Bei Jarid war mal wieder alles anders. Muss an der Wildzauberei liegen …
Also, ich bin am Mittwoch fertig geworden. Wenn man den Tag solange Mittwoch nennt, bis man sich zum Schlafen ins Bett legt. Ansonsten war es doch eher Donnerstag, 5.30 Uhr am morgen.
Ich. Bin. FERTIG!!!

Und den gesamten Donnerstag orientierungslos durch die Gegend getaumelt. Wo bin ich? Warum bin ich hier? Wie heiße ich und warum ist die Wohnung so unglaublich furchtbar dreckig?
Sanna erzählte mir von ihren Wochenendplänen. Wochende, ja, das dauert ja noch … Moment mal … Heute ist Donnerstag? Echt jetzt? Gerade war es doch noch Montag?
Beim Betreten der Küche rückwärts wieder rausgesprungen und embryonale Schutzhaltung eingenommen. Nur für den Fall, dass der Riesenstapel Schmutzgeschirr bereits genug intelligentes Leben gezüchtet hat, um eine Partei zu gründen und auf Menschenjagd zu gehen. Die gesamte Bude verkrümelt, chaotisch, die Tische kleben, die Schmutzwäsche stapelt sich. Sauberes Geschirr ist trotzdem noch vorhanden, weil ich irgendwann – Dienstag oder so – mal die Spülmaschine angeworfen habe. Ausgeräumt allerdings nicht.
Normalerweise fängt mein angeheirateter Schatz das auf, wenn ich im Buchbeendungswahn bin und nichts mehr um mich höre oder sehe, weil ich 24 Stunden in einer alternativen Realität zubringe. Der arbeitet allerdings 540 Kilometer von mir entfernt an der Küste und wir ziehen erst nächsten Juli wieder zusammen.
Natürlich laufen hier noch zwei Kids herum. Die eine ist Autistin mit ADS (ohne H) und sieht Chaos schlicht und ergreifend nicht. Sie leugnet auch standhaft, welches zu erzeugen. Oder alles, was sie nicht mehr braucht, genau dort fallen zu lassen, wo sie diese Erkenntnis getroffen hat. Glaubt sie mir nicht.
Die andere ist 15, was eine Diagnose für sich ist, hat auch ADS, nur ohne Autismus. Die sieht das Chaos zwar, findet es aber kuschelig.
Na ja, und ich habe ADS und Schreibsucht. Ich hasse Chaos, aber wenn ich im Schreibfieber bin, sehe ich auch nichts mehr. Superklasse.
Also erst mal die Küche in einen Zustand versetzt, dass das Seuchenkommando zufrieden daheim bleibt. Alles aufgeräumt, bis auf die Kinderzimmer. Die sind hoffnungslos. Handtücher in die Waschmaschine geworden. Geprüft, ob sich unerlaubt Leben eingeschlichen hat, aber nein, alles gut. Weder Fruchtfliegen noch irgendetwas mit mehr Beinen als ich.
Gegen 16.00 Uhr fielen mir mehrere Dinge auf: Das Erstkind würde in 20 Minuten aus der Schule kommen, ich habe noch keinen Krümel gegessen und keinen Tropfen getrunken. War auch gar nichts mehr da, was ich hätte trinken können. Also Spätmittagessen gekocht und heimkehrendes Kind auf das Flüssigkeitenproblem angesetzt.
Rumgegammelt.
Müde gewesen.
Nichts getan.
Über Jarid nachgedacht.
Mich leer und verlassen ohne mein Skript gefühlt.
In die Wanne gegangen, denn wirklich gesellschaftstauglich war mein persönlicher Hygienestatus jetzt auch nicht …
Jarid nachgetrauert.
Erstkind Fotos für den Kunstunterricht vergrößert und am Drucker verreckt, der kein Papier annehmen will.
Werde gleich mal Printcover erstellen. Muss noch für den letzten High Fantasy, für die Herbstzeitlosen und eben für Jarid Prints fertig machen. Und Sannas letzten Superhit lektorieren. Hatte in letzter Zeit das Leben nicht so ganz im Griff. U.a., weil ich ein Buch schreiben musste, das nie geplant gewesen war. Hat immerhin fast 5 Wochen meines Lebens gekostet!
Dieses Nichtstun ist sehr verwirrend.
Kein Buch zu schreiben ist auch sehr verwirrend.
Irgendwie bin ich nicht ganz lebensfähig in dieser Realität, fürchte ich.
Vielleicht sollte ich doch noch einen Bestseller raushauen und mir eine Hauswirtschafterin zulegen …
Ein Buch schreiben ist eigentlich immer eine gute Idee. Sammy und Dylan warten auf ihren Einsatz.
Das mache ich dann, sobald Jarid draußen in der Welt ist.
Ihr seht: Es besteht kein Grund zur Sorge.
Alles wird gut …

Zwischengedanken #3

Samstag, 8. November, 2014

Ich bin heute bei Recherchen zu verschiedenen Themen (Paarungsverhalten von Rotmilanen, Proteinsynthese, traditionelle Tänze amerikanischer Ureinwohner und Farmmethoden in Australien) zufällig über einen Blogrezension zu „Eisiges Feuer“ gestolpert. Keine Ahnung wie oder warum, das ist ein Google-Geheimnis, dem ich nicht nachgehen will.

Die Rezensentin mochte meinen Schreibstil und die Welt als solche, findet aber, dass ich meinen „Bottom“ zu viel zu verweiblicht und vor allem verwirrend und inkonsequent darstelle. Lys ist mal knallhart, dann wieder weich und in „Tränen aufgelöst“. Das hat sie schon bei den Am’churi abgestoßen.

Das lässt mich grübeln, denn ich denke bei meinen Helden nicht in „Top oder Bottom“-Kategorien. Sie sind Menschen. Punkt, aus, Feierabend.

Lys ist ein sehr junger Mann Anfang 20. Vom Typ her sehr emotional, aber er muss sich hinter Masken verstecken, darf nie so sein, wie er wirklich ist. Das wird an vielen Stellen des Buches ausdrücklich benannt … Aber egal. Lys ist ein komplizierter Typ, der in keine Schubladen passt. Er ist weder „verweiblicht“ noch ein Bottom, auch wenn er sich Kirian hingibt.

Ni’yo ist dank seines Elfenerbes äußerlich klein und schmal, aber eben auch nicht „verweiblicht“. Ja, beide weinen. Dafür foltere ich sie schließlich, bis sie über ihre Grenzen geraten und zusammenbrechen. Kirian und Jivvin weinen zwischendurch genauso …

Mein „weiblichster“ Held ist Rouven aus Nayidenmond. Er hat eindeutig eine feminine Ader.

Was mich gerade umtreibt, ist weniger die Frage, ob ich eine Leserin verprellt habe oder mich mit meinem Werk „unverstanden“ fühlen will, sondern: Wo genau liegt hier gerade mein Problem? Meine schwulen Helden werden als „verweiblicht“ und ich fühle mich angegriffen?

Ich glaube, es ist eher die Emanze in mir, die gerade die Stacheln aufstellt, denn impliziert wird hier, dass „weiblich“ gleichbedeutend mit „schlecht ist, oder? Nervt mich ja schon, dass der Vorwurf von einer Frau kam. Tolles Selbstbildnis? Alles frauliche ist schlecht?

Konkret bekrittelt werden:

– Tränen

– Emotionalität

– devote Hingabe an den Partner

Okay. Eigentlich bin ich schon zufrieden, dass niemand meine Jungs als „zickig“ bezeichnet. Eine klischeetypisch weibliche Eigenschaft, die ich hasse wie die Pest. Also: Nicht alles falsch gemacht. *schnauf*

Zu den Tränen: Meine Kerls heulen nicht, weil sie sich einen Fingernagel abgebrochen haben. Und auch nicht, weil das Lieblingshemd ein Loch hat. Ich lasse sie dann weinen, wenn sie körperlich, geistig und/oder seelisch am letzten Ende der Fahnenstange angekommen sind. Wer dann immer noch nicht weint, ist tot. *hugh*

Emotionen: Ja, Männer und Gefühle, das ist ein schwieriges Kapitel. Der echte Kerl von Welt unterdrückt seine Gefühle statt darüber nachzudenken und redet auch nicht endlos darüber. Ich bin mir bewusst, dass ich mich da nicht immer so strikt dran halte bei meinen Helden … Aber es sind nun mal Menschen! Jeder Mensch ist anders, jeder Mann ist anders und Gefühle haben Männer genauso wie Frauen. Wenn ich mal auf die Weltliteratur blicke und mir „Die Leiden des jungen Werther“ anschaue, dann ist es sogar international anerkannt, dass ein liebender, liebeskranker Mann zum totalen Weichei und sogar Selbstmörder mutieren darf … Aus Eifersucht wurden Kriege begonnen und ganze Völker vernichtet (Helena > Troja), über Romeo und Julia muss jetzt auch nicht weiter philosophiert werden …

Männer dürfen Gefühle haben. Fein! 🙂 Ich bemühe mich stets, keine jammrigen Weicheier zu konstruieren. Sollte mir das einmal krass misslingen, haut mich bitte!

– Devote Hingabe an den Partner: Für mich der ultimative Beweis von Vertrauen und Liebe, wenn man sich bedingungslos fallen lässt und einem anderen Menschen die Verantwortung für Körper und Seele überlassen kann. Ja, das ist sehr romantisiert und entspricht nicht immer der Realität von Beziehungen. Egal ob zwischen Männern, Mann und Frau oder zwei Frauen. Allerdings schreibe ich ja auch Gay Romance, nicht wahr?

Tränen, Emotionalität und devotes Verhalten sind für mich alles keine negativen Eigenschaften, solange das Maß stimmt. Wenn es das ist, was man unter „verweiblicht“ versteht, kann ich also gut damit leben! Trotzdem bleibt da der kleine Stachel, dass da wieder so ein Geschlechterkrieg draus gemacht werden muss …

Wann ist ein Mann ein Mann?, fragte ein von mir sehr geschätzter Künstler.
Wann ist eine Frau eine Frau?, frage ich mich. Und warum kann das Yin-Yang-Prinzip nicht akzeptiert werden, dass uns sagt: Jeder Mann hat etwas Weibliches, jedes Frau etwas Männliches, und nur beides zusammen ergibt eine Einheit!

So, bevor ich mich darin versteigere, ob nun bei schwulen Paaren zwanghaft eine Seite stärker weiblich sein muss als die andere, höre ich lieber auf. Es lebe die Vielfalt und Individualität!

 

Zwischengedanken #2

Mittwoch, 22. Oktober, 2014

Eine Facebook-Diskussion hat die Frage aufgeworfen, ob Frauen tatsächlich schwule Literatur schreiben dürfen. Schließlich können sie niemals tatsächlich persönlich erfahren und somit nachfühlen, wie sich schwule Männer fühlen. Egal ob beim Sex, Outing vor den Eltern, Einkaufen, Radfahren, Milchreis kochen: Das wahrhaftige Gefühlsleben eines schwulen Mannes wird mir als Frau stets verschlossen bleiben.
Wenn man das konsequent weiterdenkt, wird mir auch das wahrhaftige Gefühlsleben einer heterosexuellen Frau verschlossen bleiben. Nämlich dann, wenn sie etwas tut, was ich noch nie getan habe. Etwa einen Swingerclub besuchen. Oder sich für ihre Junggesellinnen-Abschiedsparty eine Limousine mieten und mit einem halben Dutzend Mädels im Bunnykostüm durch eine Großstadt brettern, während zwei Dutzend Champagnerflaschen ihr Leben lassen müssen. Oder, der Herr bewahre: Entführt und im Dschungel von Borneo ausgesetzt werden. Hatte ich alles noch nicht, wie kann ich also darüber schreiben?
Muss ich also jede Erfahrung und jede Handlung, die ich schriftlich niederlegen will, erst selbst durchgemacht und erlernt haben?
Und ab wann gilt „erlernt“ als glaubwürdig? Einmal ausprobiert oder doch eher zur Meisterschaft gebracht?
Alle Fantasywelten sind demnach per se gestrichen. Ich kann lernen mit Pistolen zu schießen, Sushi zuzubereiten und afrikanische Regentänze zu zelebrieren, aber ich kann niemals mit Elfen reden, auf einem Drachenrücken sitzend in den Sturzflug übergehen oder mich in einen Adler verwandeln, I’m sorry.
Aber nun ja, wenn ich beim Schießen versage, mein Sushi misslingt und der Regentanz nicht das geringste müde Wölkchen hervorbringt, kann ich ja auch nur über Versager schreiben, nicht über Leute, die Erfolg haben …
Über andere Menschen als mich selbst schreiben, geht also schon mal gar nicht! Höchstens als Randerwähnung. Mit geänderten Namen, klar, damit ich die Persönlichkeitsrechte anderer nicht einschränke. Oder verletze.
Die Titel meiner nächsten Romane, sobald ich mein gesamtes Altwerk den läuternden Flammen übergeben habe, lauten demnach:
„Ich und der Staubsauger“
„Vom sorgsamen Gießen der Pflanzen auf meiner Fensterbank“
„Wie ich den Autoschlüssel suchte und unter der Flurkommode fand“
„Einkaufen: Getränkekästen sind schwer und das Kakaopulver meiner Lieblingsmarke ist mal wieder ausverkauft. Eine Leidensgeschichte in 26 Akten.“
Und ein Drama, huiii, da werden sich Nackenhaare kräuseln: „Frosch! Tot! In meinem Waschkeller!“

So, und jetzt muss ich rasch meine Kinder von der Schule abmelden. Die werden nicht nur von Lehrern unterrichtet, die keine eigenen Kinder haben, nein, die bekommen da auch noch Zeugs über Menschen beigebracht. FREMDE Menschen! Politiker und historische Persönlichkeiten. Wissen und Bildung kann die Fantasie anregen und dann kommen solche Irrtürmer zustande wie der Glaube, man könnte über Dinge schreiben, die man nicht selbst getan oder erlebt hat und …
OH MEIN GOTT! Meine Babys! Meine armen, unschuldigen Kinder! Die haben an dieser Schule DEUTSCHUNTERRICHT! Sie müssen Gedichte interpretieren, von FREMDEN! Fremdes Gedankengut analysieren, was für irreparable Schäden können da verursacht werden! Meine Jüngste musste auch schon Geschichten weiterschreiben, von denen ihnen nur ein Ausschnitt präsentiert worden war, also Dinge fabulieren! *schluchz* Ich hatte doch keine Ahnung, wie schlimm das ist! Und die Große hält heute ein Referat über griechische Götter … Heidnisches Teufelswerk!

*Ironiemodus off*

Alles ist gut, ich werde auch weiter über schwule Kerls, Gestaltwandler, Drachen, Elfen, wahnsinnige Massenmörder und weitere Sündhaftigkeiten schreiben. Hugh!

Ergänzend: In der oben erwähnten Diskussion ging es durchaus auch ernst gemeint um die Frage, ob Frauen, die romantisch verklärte Liebesgeschichtchen im Genre Gay Romance schreiben, nicht dem Kampf der „echten“ Schwulen und Lesben um Anerkennung schaden. Indem Schwule romantisiert und auf ihre Sexualität reduziert werden, erzeugt man in der Leserschaft falsche Vorstellungen der homosexuellen Realtität. Die Überbetonung von Dingen, die selbstverständlich sein sollte, die Thematisierung „Große Liebe“, wenn die Lebensrealität vieler Schwuler eher bei „Job, Wohnung, Überleben“ zu finden ist.
Dazu jetzt auch noch ein paar Gedanken, diesmal ironiebefreit.

Die meisten Leute erleben „Schwule“ nur im Fernsehen. Abgedrehte Drag Queens in Filmen, jämmerliche Tunten, Paradiesvögel bei CSD-Umzügen. Dazwischen Berichte über katholische Priester, die sich an kleinen Jungen vergehen.
Wer im Alltag auf jemanden trifft, von dem er anschließend sagt: „Der is‘ garantiert ne schwule Tunte!“ – na, wen hat er dann wohl gesehen? Vermutlich einen Mann mit Lippenstift und Kajalschwung, oder jemanden mit nasalem Sprechfehler.

Gay Romance zeigt oft Männer, die ganz normal sind. Fritz Müller von nebenan, von dem niemand merkt, dass er schwul ist, weil er eben weder High Heels trägt noch ulkig rumnäselt. Okay, es gibt genug Bücher in diesem Genre, in denen Fritz anschließend Teil einer rosawolkigen, völlig irrealistischen Schmonzette wird, und es würde nicht weiter auffallen, wenn sein Name eben doch „Frieda“ wäre. Trotzdem wird Fritz als „Mensch“ gezeigt, der Kaffee zum Frühstück mag, im Büro arbeitet, sich über rote Ampeln ärgert und auch sonst „Mensch“ ist statt durchgedreht, psychotisch, hyper-exotisch oder gar pervers.
Wenn es nun in einem größeren Teil der Bevölkerung ankommt, dass Schwule nicht allesamt beängstigend, gefährlich, pervers sind, wo liegt der Schaden? Ja, es mag sein, dass da nur ein neues Klischee produziert wird, à la: Schwule suchen alle die große Liebe und es geht ja im Endeffekt hauptsächlich um Sex …
Trotzdem ist man dann einen Schritt weiter. Herzgebrochene Liebessucher sind Menschen, die per se erst mal nicht gefährlich für die Nachbarschaft sind. Möglicherweise kinderschändende Perverslinge, die sich verweiblicht kleiden und dem eigenen Sohn eventuell ein gefährliches Vorbild sein könnten hingegen schon.

Nun, genug davon. Ich schreibe Gay Romance/Gay Fantasy NICHT, um dem Kampf der schwul-lesbischen Community beizustehen und auch nicht, weil ich die Toleranz meiner Mitbürger verändern will. Ich schreibe diese Geschichten zuallerst für mich selbst und danach für all jene, die Freude daran haben. Wer keine Freude hat, möge zum Buch xy seiner Wahl greifen und dort sein Glück finden …

Zwischengedanken … #1

Dienstag, 14. Oktober, 2014

Nach dem Buch ist vor dem Buch …

Ich stecke mittendrin im Nächstskript. Sammy und Dylan Teil 3. Es plätschert noch ein wenig vor sich hin, da ich mit „echter“ Polizeiarbeit und Hintergrundinfos beschäftigt bin, ein wenig Weltmalerei hier, ein bisschen erotisches Geknistere zwischen den Helden da. Tausend Dinge müssen recherchiert werden, was mir viel Spaß macht – wie gut können Eulen am Tag sehen? Leben Ringelgänse monogam? Wurde Curare je in der Medizin verwendet?

Ständig muss ich in Teil 1 und 2 Details nachlesen – wie hieß noch mal der Chef des Labors in Shonnam? Hatte ich je festgelegt, woher das Benzin für die Fahrzeuge kommt? Wie alt ist Robin und wurde schon mal erwähnt, ob Dylan eine Abneigung gegen Spinat hat? Damit ich alle Details max. 1x suchen muss, hab ich ein Gestaltwandler-Lexikon erstellt, das natürlich gepflegt werden muss. Ich liebe meinen Job. 🙂

Und doch …

Ja, Schreiben ist Schwerstarbeit. Immer dann, wenn es nicht laufen will. Wenn die Worte mit Dynamit an die Oberfläche gesprengt und mit Zangen, Ketten und schwerem Gerät an der Flucht gehindert werden müssen. Wenn man lieber eine Zahnwurzelbehandlung ohne Narkose genießen als nur einen Satz schreiben will. Wenn alles irgendwie doof und langweilig klingt, Intrigen nicht zum Ziel führen, Pointen nicht zünden und boah nee, schon wieder eine Sexszene? Können die nicht lieber Monopoly spielen? Wenn man zahllose Stunden damit zugebracht hat, sein Skript zu überarbeiten und sobald man den Print im Arm hält, findet man erst mal ein halbes Dutzend Kommafehler. Wenn man bösartige Trollrezis erhält für das, wofür man sich so abgemüht hat. Oder noch schlimmer: Gar keine Rezis. Wenn Steuererklärungen, Veröffentlichungsportale, Dudenprüfer und Bildbearbeitungsprogramme nur darauf lauern, einem das Leben schwer zu machen. Wenn Familie und andere Katastrophen sich verbünden, um jeglichen Schreibausflug in schönere Welten zu verhindern.

Dann frage ich mich jedes Mal aufs Neue, warum ich mir den Sch… eigentlich antue. Tja, was soll ich sagen? Ich leide halt gerne. 😀

Unter Sandra Gernt hab ich jetzt 33 Mal Geschichten veröffentlicht, wenn „Unentschieden“ und „Chefsache“ dazugerechnet werden. + 2 Mal Change for … und „Knocking on hell’s door“. Demnächst kommt eine Kurzgeschichte in einer Sammelanthologie heraus. Ich arbeite jetzt also an der 38. Gay-Story. Und das in meinem 38. Lebensjahr. 🙂 Ich bin gespannt, was den Jungs diesmal so alles passieren wird …