Mal geklärt …

Ich habe eine neue Rezension für „Knocking on hell’s door“ erhalten.
– Eine begeisterte und sehr gute Rezi, darum geht es nicht.
Darin wurde zum wiederholten Male angesprochen, ich hätte wahnsinnig aufwändig und absolut großartig recherchiert. Auch der Verdacht, ich könnte hier eigene Erlebnisse verarbeitet haben, fehlt mal wieder nicht.
Bis jetzt hab ich das ausgesessen, aber nun möchte ich mich doch einmal dazu äußern. Denn es beinhaltet ein Kompliment, das ich nicht verdient habe.

Knocking on hell’s door ist Fiktion. Von der ersten bis zur letzten Seite. Ich habe dem Himmel sei Dank! nie etwas erleben müssen, das in irgendeiner Weise damit im Kontext stehen könnte. Kein Missbrauch, kein Kinderschänderring und erst recht keine Undercovermissionen.
Und ich habe ganz bewusst nicht die geringste Recherche betrieben und in mindestens einer Sache auch mit voller Absicht Fakten falsch dargestellt (betrifft Kompetenzverteilung von Polizeiarbeit in Amerika hinsichtlich Internetverbrechen).

Ich wollte eine Geschichte schreiben, in deren Kern es darum geht, dass ein Mensch sich freiwillig zerbrechen lässt, komplett abstürzt und aufgefangen wird.
Das drumherum sollte nach „könnte eventuell sein“ klingen, um dem Leser ein möglichst rundes Bild zu liefern. Realismus war nicht das Ziel und das wird mir von einigen auch vorgeworfen. Andere wiederum, und das ist die Mehrzahl, bescheinigt mir „gute“ oder sogar „hervorragende“ Recherche.
Natürlich gibt es solche Verbrecherringe und ich kann mir vorstellen, dass sie ähnlich gut und straff organisiert sind und sich mit hoher Gewaltbereitschaft selbst verteidigen. Dass die kriminellen Pädophilen „überall“ sind, habe ich mir von den Tagesnachrichten sagen lassen. – „Kriminell“ deswegen, weil es auch genug Pädophile gibt, die gegen ihre Neigung erfolgreich ankämpfen und niemals einem Kind weh tun würden und es auch nicht passiv unterstützen, indem sie entsprechende Pornos ansehen.
Undercovermissionen sind ein beliebter Bestandteil vieler Krimis und Thriller und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es Leute gibt, die ihre eigene Identität aufgeben, sich irgendwo einschmuggeln, vorgeben, Verbrecher zu sein. Die Verbrechen begehen, um ihre Tarnung zu beschützen, um am Ende die ganze Bande auffliegen zu lassen.
Ich will glauben, dass solche Leute gut geschult werden, eine besondere Persönlichkeitsstruktur aufweisen und Unternehmungen dieser Art deutlich besser geplant und durchgezogen werden als es Danny widerfahren ist. Ich will außerdem glauben, dass man kompetentere Psychologen zur Hand hat. Wissen kann ich es nicht, denn ich habe mich nicht mit Kriminalbeamten oder sonstigen Fachleuten ausgetauscht.
Darauf verzichtet habe ich nicht, weil mir meine Leser diese Mühe nicht wert wären! Sondern weil ich dann den Schwerpunkt auf kriminelle Pädophile, organisiertes Verbrechen und den Kampf dagegen hätte legen müssen und der Plot als solcher überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Wie im 3. Teil mit Dannys psychiatrischer Therapie verfahren wird, steht so natürlich in keinem Lehrbuch. Meine Darstellung einer psychiatrischen Klinik als solches war dennoch stimmig, ich habe im Rahmen meiner Ausbildung zur Krankenschwester auch zwei Monate in einer solchen gearbeitet. Da Dannys Fall einzigartig war, brauchte es kein Lehrbuch, sondern Mut zu neuen Wegen. Den hat sein Arzt bewiesen. Genau wie sein Chef zuvor, der bereit und willig war, zwei Männer für diese eine Sache zu opfern und sie auf eine Selbstmordmission zu schicken.

Es hat mir alles abverlangt, dieses Buch zu schreiben. Nie war eine Geschichte emotional fordernder als diese. Es hat seinen Grund, warum ich wochenlang geheult und Sanna mit Emails à la: „Ich will nicht weiterschreiben, ich will das einfach nicht!“ bombardiert habe. Warum diese Story so dringend raus musste, weiß ich nicht. Es war jedenfalls keine persönliche Traumabewältigung. Im Gegenteil, nach diesem Buch fühlte ich mich dermaßen traumatisiert, dass ich sehr dringend „Flüsterwind“ schreiben musste, das wattewolkig-federleichte Kontrastprogramm. Wenn man mir nun bescheinigt, dass viel Gefühl in dem Buch steckt, dass ich starke Emotionen wecke, dass es mir gelungen ist, den Leser mitzureißen, dann bin ich begeistert und freue ich mich unbändig! Jedes Feedback ist mehr als willkommen. Noch länger schweigend ein unverdientes Lob einzustecken, das möchte ich allerdings auf keinen Fall. Dadürch fühle ich mich nicht in meiner Arbeit bestätigt, sondern wie eine Betrügerin. Obwohl ich an keiner Stelle und zu keinem Zeitpunkt behauptet habe, ein an der Realität orientiertes Werk vorgelegt zu haben.

Ich hoffe, in dieser Hinsicht ist jetzt alles geklärt …

4 Kommentare zu “Mal geklärt …”

  1. Stine sagt:

    Woher wissen deine Leser, dass du hervorragend recherchiert hast? Haben sie selbst umfangreich recherchiert, um zu gucken, ob deine Aussagen der Wahrheit entsprechen?

    Ich finde es gut, dass du die Sache nicht „aussitzt“ und dich mit fremden Federn schmückst. Sehr vorbildlich ^^
    Und ich bin froh, dass es nicht von persönlichen Erlebnissen inspiriert wurde. Das scheinbar darüber spekuliert wird, hat mich erschreckt. oO

    Ich persönlich habe „Knocking on hell’s door“ nicht gelesen und ich werde es wohl auch nicht lesen. Ich liebe deine Geschichten, aber in diesem Fall verzichte ich, zum Wohl meiner Nervengesundheit und einer ungestörten Nachtruhe. Wenn es dich schon traumatisiert…

    • Sandra sagt:

      Wenn es sich glaubwürdig „anfühlt“, dann sind viele Leser eben auch gewillt zu glauben und loben auch gerne die gute Recherche …
      Mehr als einer hat spekuliert, dass es persönliche Erlebnisse gewesen sein könnten. Kann ich mir jetzt wieder als Feder an den Hut stecken, denn entsprechend glaubwürdig muss es wohl rüberkommen.
      Und ja, es war traumatisch, mich in Daniel einzufühlen, der langsam zugrunde gerichtet wurde, in Todd, der gezwungen war, ihm Unaussprechliches anzutun, in die Verbrecher, die sie zu Fall bringen wollten … Ein echter Höllentripp. Noch einmal würde ich eine solche Geschichte nicht schreiben wollen … Flüsterwind hingegen kann ich dir empfehlen, wenn du ihn noch nicht kennst. Ist zwar hetero, aber ohne echte Sexszenen und die Nachtruhe ist garantiert. 😀

      • Melissa sagt:

        Liebe Sandra 🙂

        Ich fand das Buch klasse und ich mag dein breites Spektrum von zart bis hart 🙂 von daher würde ich auch gerne mal wieder so eine Geschichte von dir lesen. Außerdem finde ich triffst du gut den punkt wo man schockiert ist und mitleidet, es aber nicht komplett abartig wird, sodass es einem dem Magen umdreht :).
        Ich mag das Buch 😀 Bitte sag nicht du würdest sowas nicht mehr schreiben, das wäre schade 🙂 wobei natürlich auch die anderen Sachen toll schreibst 🙂 Bist ja nicht umsonst meine Lieblings Autorin 🙂

        • Sandra sagt:

          Danke für das hohe Lob, liebe Melissa. 🙂 🙂 🙂
          Sollte noch einmal ein Paar wie Todd und Daniel vor meiner Tür erscheinen, werde ich es wieder nicht übers Herz bringen, sie fortzujagen. Ich hoffe einfach sehr, dass es nicht dazu kommen wird. Ich habe in ihren Köpfen und Seelen gesteckt. Ich war das Opfer, das freiwillig stillhalten und sich zerbrechen lassen musste. Ich war der Täter, der es ihm angetan hat. Das war wirklich furchtbar und ob ich die Kraft habe, das noch einmal bis zum Ende durchzustehen, weiß ich einfach nicht …

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