Nach dem Flow …

… oder: Monströs verzweifelte Selbstzweifel

Die Tasten glühen. Die Story fließt. Vielleicht fließen gerade Blut, Schweiß, Tränen (…) beim Helden. Man fühlt sich unvergleichlich gut und weiß: DAS IST ES. Das ist genial. Gefühlsecht. Ach was, Gefühle pur, in Pixel gegossene Denkmäler, Mahnmal der eigenen Großartigkeit.

Das ist der Flow, der Zustand, den Autoren lieben. Ein Rausch ohne Drogen. Man lebt in der Szene, ist eins mit dem Helden, es gibt keine Buchstaben, keine Grammatik, keine Stilregeln, kein gar nichts mehr.

Dann ist die Szene beendet, man setzt sich glücklich erschöpft zurück, muss jetzt erst einmal regenerieren. Die Tränen der Rührung/Trauer/sonstigen Emotionen abwischen. Versuchen, wieder in dieser hiesigen Welt anzukommen.

Irgendwann später will man nachlesen, was man geschrieben hat, um sich daran zu begeistern und die Glut neu anzufachen, damit man mit sprichwörtlichem Feuereifer an die nächste Szene schreiten kann …

Und dann diese Ernüchterung. Klingt das nicht alles nach hohlem Gefasel? Viel zu emotional? Oder auch zu wenig emotional? Ist das logisch, was da steht? Übertrieben, untertrieben, zu viel von allem, zu wenig von gar nichts, stimmen die Kommas, schreibt man das Wort da nicht klein (…)

 

Das Monster Selbstzweifel ist erwacht und nun muss man sich beeilen es festzuketten, damit es wenigstens in seinem Käfig bleibt. Andernfalls wird es das unfertige Werk fressen und lässt den Schöpfer trauernd und unglücklich zurück.

Jetzt darf man bloß nicht versuchen, am Skript herumzuflicken, das wäre Futter für das Monster. Am besten lässt man die Szene in Ruhe und schreitet zur nächsten, tippt ein paar Notizen ab oder prüft, ob mit Plotplanung und Heldencharakterisierung noch alles stimmt (falls man sich mit so etwas aufhält). Wenn man die Bestie überhaupt nicht bändigen kann, schickt man das bisher Geschaffene schnellstmöglich zu einem erprobten Testleser, damit dieser einem sagen kann, ob es etwas taugt. Mit der Gefahr, dass man den Rat zum Einstampfen erhält. Aber Gewissheit ist besser als Zweifel und als Schöpfer kann man nun einmal nicht objektiv entscheiden, ob das eigene Baby wohlgeraten ist.

 

Selbstzweifel sind lästiger als Schmeißfliegen und kommen gerne immer wieder. Nicht nur dann, wenn man gerade einen Schreibrausch hatte, sondern auch ganz unvermutet zwischendurch. Eben war noch alles prima und das Skript wächst und gedeiht, alle Helden laufen brav in die richtige Richtung und dann BAMM! – und schon ist gar nichts mehr gut.

Auch wenn man meint, man hat alles geschafft, das Skript ist fertig, überarbeitet, von Lektorat, Korrektur und Testlesern abgesegnet, noch einmal überarbeitet, einzelne Schwachstellen geprüft, Recherche wiederholt, Wortdopplungen nach Kräften ausgemerzt, ein 6., 7., 8., 9. Mal überarbeitet – vor Zweifeln ist man niemals sicher.

Irgendwann hat man das Buchkind in die kalte, grausame Welt geschickt und hofft, dass es dort klar kommen wird. Wochenlang, monatelang gibt es keine Probleme, es kommen gute Rückmeldungen, man entspannt sich … Und dann ist es die fiese Abklatschrezi, oder man hat noch einmal in das Skript geschaut, um eine Kleinigkeit nachzulesen. Ungewollt lässt man die Bestie von der Kette und sie verbeißt sich in den Hacken. Ist das wirklich in Ordnung, was man da getan hat? Darf man überhaupt wagen, Geld dafür zu verlangen, dass andere Leute das lesen dürfen?

 

Jetzt ist es logisch zu fragen, warum Autoren sich diesen Stress freiwillig antun. Mit einem Monster zu leben, das sich nicht nur unterm Bett, sondern schlicht überall versteckt, um jederzeit aus dem Hinterhalt angesprungen zu kommen, wozu? Sind Autoren von Natur aus Masochisten? Warum gehen die nicht Eis verkaufen und machen Menschen mit jeder einzelnen Kugel zart schmelzender Köstlichkeit glücklich?

Tja.

Eis ist toll. Eis verkaufen sicherlich anstrengend, aber insgesamt auch toll, zumindest im Hochsommer. Aber der Flow … Dieser Rausch …

Ja, diesen Zustand erreicht man wirklich, wirklich selten. Und wer die Klauen der Bestie gerade im Nacken hat, kann davon höchstens träumen.

Trotzdem lohnt es sich.

Darum: Ich bin ein Schreibjunkie, süchtig danach, schreiben zu dürfen. Bleibt mir bloß weg mit Therapieversuchen und lasst mich mit dem Zweifelmonster kuscheln. Ich will einfach nur schreiben und zumindest gelegentlich rettungs- und haltlos glücklich sein. Wem das nicht gefällt, was ich tue, muss wegschauen, es gibt keine Leseverpflichtung. Und wenn ich gerade mal wieder depressiv bin, weil mein Kuschelviech an sämtlichen Nerven nagt, tja, dann ist das wohl nicht zu ändern.

So, und jetzt bin ich mal weg. Das Monster muss Gassi gehen …

7 Kommentare zu “Nach dem Flow …”

  1. Nachtmahr sagt:

    Du sprichst mir so aus dem Herzen.

  2. ulla sagt:

    Hallo Sandra,
    bin ein großer Fan Deiner Bücher. Bitte, bitte mach weiter so!

    Aber was anderes: Mir ist aber aufgefallen, das Drachenfluch auf Deiner Autorenseite bei amazon nicht auftaucht. Warum nicht?
    Falls Du das weißt, entschuldige mein vorlautes Gefasel.

    Auf jeden Fall liebe Grüße
    ulla

    • Sandra sagt:

      Hallo Ulla,

      wie schön, jetzt kann ich mich endlich bei dir herzlich für die wundervollen Rezensionen bedanken! Bei deiner Besprechung zur Eisiges Feuer-Trilogie hatte ich das Wasser in den Augen stehen … 🙂

      Dass der Drachenfluch es noch nicht auf die Autorenseite geschafft hat liegt daran, dass ich jedes Buch selbst dort einpflegen muss. Sobald ich das getan habe, dauert es zwischen 1 Minute bis 5 Tage, bis es tatsächlich online gezeigt wird. Das große A ist halt sehr speziell. ^^

  3. ulla sagt:

    Hallo Sandra,
    ich freue mich wirklich, dass Dir meine Rezensionen gefallen haben. Sie kommen von ganzem Herzen. Die Bücher sind einfach nur klasse.

    Kommt iegendwann nochmals was von Kirian und Lys?
    Und ich sage es gleich: Es wird mir wieder nicht genug sein …

    Liebe Grüße und frohes Schaffen
    ulla

  4. Sandra sagt:

    Lys und Kirian hatten ein Crossing over mit den Rashminder Jungs und mischen ab dem 2. Rashminder Tag mit, wenn auch eher am Rand. Mit dem R. Allerlei habe ich beide Serien endgültig beendet und mehr wird es dann auch nicht geben. Irgendwann muss man die Kinder loslassen …

    Einen wunderbar entspannten Tag wünsche ich dir,
    liebe Grüße,
    Sandra

  5. ulla sagt:

    Dann werde ich wohl die Rashminder auch noch lesen MÜSSEN.
    (Grins).

    Danke für die netten Antworten.
    Schönes Wochenende
    ulla

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