Die Gefahren im heimischen Garten …

sollte man besser nicht unterschätzen.
Nein, ich meine jetzt nicht das Risiko, beim Unkrautjäten an das Kontaktgift der Brennnesseln zu geraten, von Zecken, Mücken oder sonstigem Blutsauger-Getier angegriffen zu werden oder sogar auf einer dieser hochgradig heimtückischen Nacktschnecken auszurutschen.
Auch, wenn das allgemein leichtsinnig unterschätzt wird.
(Ich mag Schnecken. Wirklich. Aber nur außerhalb meines Gartens!)

Ich bin diesmal ein Opfer meiner eigenen Arbeitswut geworden und habe mich beim Plan, Unkraut bekämpfen, Büsche beschneiden, neue Jungpflänzchen und ca. 120 Blumenzwiebeln setzen überanstrengt.
Das kommt häufiger vor. Normalerweise lege ich mir dann eine Wärmepackung auf den Rücken, gehe in die heiße Wanne und warte, dass der Schmerz vorbeigeht.
Diesmal hat das nicht geklappt.
Irgendwas hat meine Fehlkonstruktion von Körper ja immer, diesmal schien es ein bisschen ernster zu sein. Irgendwas zwischen Brustwirbelsäule und HWS war nicht okay und ist es immer noch nicht. In dem Sinne, dass ich den Kopf nur sehr eingeschränkt drehen und quasi gar nicht nach unten kippen kann, ohne dass es sehr schmerzhaft blockiert. Mittlerweile seit vier Tagen.
Gestern dachte ich mir, ich sollte vielleicht doch noch einmal einen Arzt befragen, weil ich wirklich quasi gar nichts tun konnte. Da merkt man erst, bei wie vielen Tätigkeiten man den Kopf senken muss. Selbst das Einschütten von Wasser in ein Glas geht nicht so einfach, wenn man nicht sieht, was man tut …
Also: Ab in die orthopädische Ambulanz.
Wohlgemerkt: Gestern war Sonntag. Das Problem war mir bewusst, aber auch das habe ich unterschätzt. Es fing schon damit an, als ich versuchte, dem netten Krankenpfleger 10 Euro Notfallpraxisgebühr zu überreichen. Da ich kein passendes Scheinchen hatte, wollte ich Kleingeld zusammensuchen. Ich konnte nichts sehen, Geldbörse in Augenhöhe heben half nicht, im Blindflug Münzen suchen auch nicht. Hab das Ding nachher einer Schwester in die Hand gedrückt und sie gebeten, mal passend zusammenzusuchen. Sie war sehr, sehr nett, sehr hilfreich und hat es geschafft, das leichte Grinsen mitfühlend aussehen zu lassen. Ein Vollprofi. 🙂
Ich schwebte in den Wartebereich hinüber. Laufen ging ja nicht, ich musste mich so gerade halten wie die armen Mädchen früher, die mit Bücher auf den Köpfen balancierend ihre Haltung schulen sollten.
Obwohl ich wusste, dass es sinnlos ist, hatte ich mir Lesestoff und einen Notizblock mitgenommen. Lesen wäre zwar irgendwie möglich gewesen, aber wie lange hält man sich ein Buch hoch erhoben vor die Augen?
Also hab ich es gelassen. Viele Leute saßen hier ja auch nicht herum, vielleicht hatte ich Glück?
Ich ließ mich also auf eine Bank sitzen, versuchte, den Kopf an die Wand zu lehnen – ging nicht, soweit kam ich nicht nach hinten – und wartete.
Der sehr freundliche Krankenpfleger, der meine Anmeldung aufgenommen hatte, hatte mich vorgewarnt, dass noch kein Orthopäde in der Ambulanz angekommen war. Klar, es war Sonntag, und die Ärzte müssen nun einmal erst im OP und auf Station fertig werden.
Die Bank war unbequem. Sitzen schmerzhaft und anstrengend.
Ja nu. „Patient“ kommt nun mal von dem lat. Wort „patiens“ = erdulden, ertragen, gedulden.
Ist recht.
Die erste Stunde war hart.
Die zweite noch mehr. Es gab einen Fernseher, auf dem Viva flimmerte. So leise gestellt, dass rundum alle schweigen mussten, damit man einen Ton erahnen konnte. Kam sogar gelegentlich vor, was bei der Musik aber gar nicht nötig gewesen wäre …
Nach vier Stunden entwickelte sich eine Art Wir-Gefühl zu den anderen im Warteraum. Nicht alle, aber zumindest zu einigen von denen, die auch schon so lange oder auch noch länger da herumhockten. Zu diesem Zeitpunkt war gerade der dritte Notfall hereingebracht worden und es war klar, dass nun wieder ca. 2 Stunden lang niemand aufgerufen werden würde. Bei nur einem einzigen Arzt für alles, unterstützt von zwei Schwestern, ist das nun mal so. Da war ein 10jähriges Mädchen mit vermutlich gebrochenem Arm und ihrem Papa, das war schon 1 1/2 Stunden länger da als ich. Eine türkische Frau mit Schulterverletzung, die ihren rechten Arm gar nicht heben konnte. Sie wurde von zwei ihrer (erwachsenen) Töchter begleitet, die sich bemühten, Mutter mit Kuchen, Getränken und Unterhaltung abzulenken. Die drei lachten viel. Hm, vielleicht hätte ich meine Mädels einfach mitschleppen sollen? Aber ob wir dann auch so viel gelacht hätten? Na ja, meine zwei sind ja noch deutlich kleiner.
Dann war da ein Vater mit ca. 14jährigem Sohn, aber die beiden haben sich komplett ausgeklingt und blieben für sich.
Uuuund ein junger Mann, so zwischen Mitte und Ende 20. Ein Hingucker, aber so was von!
Athletisch gebaut, dunkles, schulterlanges Haar, dunkle Augen, vom Profil her ein bisschen wie Tom Cruise in jungen Jahren – nur noch ein bisschen markanter. Gepflegter Drei-Tage-Bart. Alles in allem: Hhmmmmmmmm! Lecker. 🙂 Hatte fieses Pech mit seinen Füßen gehabt und vermutlich einen Bänderriss. War sehr schwierig, ihn nicht allzu offensiv anzustarren, aber ich musste mir doch geistige Notizen machen … Man braucht schließlich ein Bild vor Augen, wenn man einen Buchhelden beschreiben will. *ggg*
Na ja, ich hatte viel Zeit, ihn gelegentlich zu begucken.
Als ich es auf der Bank wirklich nicht mehr aushielt, hab ich den Papa mit seinem wirklich tapferen Töchterchen gefragt, ob ich mich zu ihnen an den Tisch setzen dürfte. Da stand nämlich der einzige Stuhl mit Polsterung. Ich durfte. Zum Ausgleich hab ich dem Mädchen ein Blatt Papier und einen Stift gegeben, damit das Kind sich ein bisschen ablenken konnte von Schmerz, Langeweile und Hunger. Die beiden hatten nicht mit so viel Wartezeit gerechnet und nichts mitgenommen. Absoluter Respekt – meine zwei Mädels hätten die mittlerweile 6 Stunden nicht so still ertragen! Darüber kamen wir alle, die sich inzwischen als Gruppe fühlten, ins Plaudern und die Zeit verging ein bisschen schneller …
Nachdem ich 6 1/2 Stunden voll hatte, durfte das Mädchen endlich in den Behandlungsraum.
Nach 7 Stunden war ich dann dran.
Dazu muss ich sagen, dass ich bis dahin erst ein 3/4 Brötchen gegessen und noch nicht allzu viel getrunken hatte.
Der Arzt war, wie schlichtweg alles Personal, das mir begegnet ist, unglaublich nett und bemüht.
Nach eingehender Untersuchung kam der Doc zu dem Schluss, dass es bei mir wahrscheinlich KEIN Bandscheibenvorfall, sondern eine HWS/BWS-Blockade ist. Tut weh, geht aber irgendwann von allein wieder weg. Ich darf mich weiterhin fleißig wärmen (ich hatte 3 Tage lang ununterbrochen mit meiner Wärmeflasche gekuschelt), Ibuprofen schlucken und tunlichst nichts heben, das bedeutend schwerer als eine Kaffeetasse ist.
Und das, wo ich schon tagelang gelitten habe, meinen armen Liebsten zu beobachten, wie er mir Gartenarbeit, Bügeln und sonstigen Mist abnehmen musste. 🙁 Wird hart!
Gegen 21.00 Uhr, nach insgesamt knapp 8 Stunden Aufenthalt in der Ambulanz, war ich dann endlich wieder zuhause. Und konnte was essen.
Heute kann ich mich immer noch nicht so wirklich bewegen. Also weder Autofahren noch im Haushalt irgendetwas tun.
Am Computer sitzen geht hingegen recht gut, weil ich geradeaus auf den Monitor blicken kann und das mit dem Tippen auch klappt. Dass es weh tut, kenne ich ja, so what? Ich bin also dazu verdammt, den ganzen Tag nichts zu tun außer rumsitzen, Bücher schreiben, lernen, im Internet abgammeln.
Hm.
So gesehen hat die Gartenarbeit vielleicht doch ihr Gutes … So ein bisschen zumindest.

2 Kommentare zu “Die Gefahren im heimischen Garten …”

  1. Marco sagt:

    Ich hoffe, dass Sie mittlerweile die Wärme der Decken, des Bades und der Wärmflaschen in sich aufgenommen haben und sich die HWS/BWS-Blockade bequemt hat, sich einen neuen Wirt zu suchen. Solche Verletzungen sind eine Meisterleistung, weil sie einen aus dem Alltag rausreißen und unmittelbar handlungsunfähig machen können. Wir sind halt doch letztlich auch nur eine Ansammlung zebrechlicher Konstruktionen, die man an der falschen Stelle nicht zu hart anpacken sollte. Also etwas behutsamer das nächste Mal – auch im Sinne Ihrer Lieben 😉

    Aber eigentlich hatte ich gerade eine ganz andere Idee. Die Krankenhausgeschichte brachte mich ein wenig zum Schmunzeln und zu Grübeln. Gerade diese Situation im Warteraum, die einen zumeist zunächst zu einer schweigenden Masse werden lässt (zumindest unter 2 Stunden) und es dann noch schwieriger erscheint in dieser schweigenden Masse einen Erstkontakt aufzubauen. Ihre Beschreibung des „Hinguckers“ hat mich an so eine Situation erinnert 🙂 Aber ich komme schon wieder vom Thema ab. Eigentlich wollte ich fragen, ob Ihnen oder einem anderen Leser des Blogs mal iene Geschichte entgegen gekommen ist, die eine durch Schweigsamkeit geprägte Arbeit eines Heilers/Pflegers (früher eher Schwestern) zu mittelalterähnlichen Zeiten behandelt. Ich stelle mir eine Figuzr vor, deren stetiger unermüdlicher Dienst anderen zu helfen dazu führt, dass sie selber mit allen Bedürfnissen zurückstehen muss (ein bisschen Ghandi). Das ganze dann noch vielleicht mit einer homoerotischen Anlage der Figur. Ich sehe entweder den Leser im Roman hoffen, auf eine Erlösung oder einfach auch nur den ganzen Roman mit der Figur leiden, weil deren Wünsche unerfüllbar sind (wegen Klassendenken o.Ä.). Der einzige Trost, den man findet liegt in den guten Taten und dem guten Wesen der Figur, die jedoch vom Umfeld kaum wahrgenommen wird (er kommt nun mal aus einem niedrigen Stand). – Langsam wird mir mein eigener Text suspekt. – Ich glaube ich habe in Restaurants zuviele Leute Leute gesehen, die an den Tischen alleine und recht betrübt saßen – Also anders formuliert: Gibt es ein Buch, das eine solche Mitleidsnummer erzeugt? Für Hinweise bin ich dankbar, auch wenn das hier keine Leseberatungsecke ist. Und wenn es kein Buch gibt, dann bitte eins machen 🙂
    LG

    • Sandra sagt:

      Hallo Marco,

      vielen Dank für die guten Wünsche, und ja, mein Rücken hat sich wieder beruhigt. 🙂

      Hm, die meisten Bücher über „Pfleger“ spielen in der traurigen Zeit, als man Kranke entweder nicht gut behandeln konnte, weil es zu viele davon gab (Krieg/Pest/etc.), im Spätmittelalter, als die Hexenhysterie alles, was „Heilung“ betraf, suspekt machte oder zu Beginn der Neuzeit, als man feststellte: Wenn Gott nicht Schuld trägt an der Misere, hat der Mensch es sich selbst zugefügt, also soll er gefälligst damit klar kommen oder verrecken!

      Davor und danach war die Heilkunst stets hochgeehrt (und damit zu langweilig, um als Hauptszenerie zu dienen).

      Es ist schwer, einen demütigen, ganz dem Dienst an anderen gewidmeten, dazu schweigsamen und innerlich leidenden Helden zu führen, ohne dass er als gar zu depressiv, verweichlicht oder schlicht langweilig ankommt. Für einen echten tortured hero mit heilenden Händen bräuchte es da schon ein passendes Szenario, das mich gerade weder anspringt noch an irgendein Werk abseits der Ghandi/Jesus/…-Schiene (< minus unerfüllte homoerotische Sehnsucht) erinnert.
      *grübel*

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